Workshop „OER – Open Educational Resources in der Weiterbildung“ 


Wie funktionieren offene Bildungsmaterialien in der Weiterbildung?

 

Sketchnote zum Workshop; TLA © Neubohn

Das Interesse an der mittlerweile vierten Veranstaltung der Netz3L-Reihe zur Digitalisierung in der Weiterbildung war ungebrochen hoch. 35 Teilnehmende überwiegend aus Bildungseinrichtungen kamen in die KWB Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beschäftigung, um sich von Elke Miersch, Projektleiterin Netz3L – Hamburg bildet!, über das Thema Open Educational Resources informieren zu lassen.

 

Den Einstieg in den Workshop machten die Teilnehmenden auf spielerische Art: Mit dem Tool Kahoot! sollten sie vier Fragen beantworten:


Elke Miersch lädt die Teilnehmenden ein, vier Fragen mit
dem Tool Kahoot! zu beantworten. Foto: KWB e.V.


Dürfen Sie:

… eine Abbildung aus einem Lehrwerk in einer Präsentation einbauen (Folien) und im Web veröffentlichen? 
… eine Präsentation mit Abbildungen aus Veröffentlichungen von anderen im Web veröffentlichen? 

… Seminarunterlagen Ihrer Vorgängerin überarbeiten und nutzen? 
… einige gescannte Seiten eines Schulbuchs per E-Mail an andere versenden? 
 
Alle Fragen fallen unter das Urheberrecht und müssen mit „Nein“ beantwortet werden. Sie dürfen weder vervielfältigt, veröffentlicht, verändert oder z. B. in Weiterbildungen eingesetzt werden, wenn der Urheber/die Urheberin es nicht ausdrücklich erlaubt. Oder zumindest so lange nicht, wie die Materialien nicht unter einer offenen Lizenz als OER freigegeben sind. Die Verwendung von offenen Lizenzen, in Deutschland in der Regel Creative-Commons-Lizenzen (CC-Lizenzen), bietet Rechtssicherheit für Urheber/-innen von Bildungsmaterialien genauso wie für Nutzer/-innen. 
 

Welche Vorteile bieten OER Trainern/-innen und Bildungsanbietern?

Zunächst einmal: Freie Lizenzen bedeuten nicht, dass ein Material frei von Lizenzen ist. Im Gegenteil: Das Urheberrecht bleibt unangetastet und die Lizenzen geben lediglich die Erlaubnis für eine bestimmte Nutzung unter bestimmten Bedingungen. Als Urheber/-in von OER kann ich also ganz genau bestimmen, welche Nutzung und welche Bedingungen ich genehmigen möchte.

Auf der anderen Seite habe ich als Nutzer/-in von OER die Rechtssicherheit, dass ich die Materialien entsprechend der Lizenz verwenden darf. 
 

 

Sketchnote Nutzen; TLA © Neubohn


Wer teilt, der bekommt mehr zurück: Wer regelmäßig auf bereits vorhandenes digitales Material zurückgreift, weil zum Beispiel das Trainings-Video Hintergrundmusik braucht oder ein Blogbeitrag mit einem Bild geschmückt wird, der weiß, dass dieser Materialpool nur dann aktuell und ergiebig bleibt, wenn aus ihm nicht nur entnommen, sondern auch etwas hineingegeben wird. Eine, wenn auch vielleicht eingeschränkte, Freigabe der eigenen Inhalte unterstützt die gegenseitige Vermehrung und Erhaltung des gemeinsamen Materialpools. Auch in der Weiterbildung ist kollaboratives Arbeiten, z. B das gemeinsame Vorbereiten einer Weiterbildung, auf dem Vormarsch. OER können helfen, eine Kultur des Teilens in Teams vor Ort und in Online-Communitys zu fördern. 

Zusammenarbeit ohne rechtliche Hürden: Mit anderen effektiv zusammenzuarbeiten und gemeinsam Materialien zu entwickeln, ist nur möglich, wenn die Urheberrechte der verwendeten Komponenten und des neuen, gemeinsamen Materials eindeutig geklärt sind. Ohne freie Lizenzierung (mittels CC-Lizenzen oder anderer Standardlizenzen) muss für jede Verwendung erstmal beim Urheber/bei der Urheberin nachgefragt werden. Da dies den Aufwand für andere erhöht, werden Inhalte ohne Freiheiten oft entweder gar nicht oder ohne Erlaubnis genutzt, was beides nicht im Sinne der Urheber/-innen ist.

OER sind durch ihre Eigenschaft der Anpassbarkeit sehr effizient: Zu vielen Themen gibt es bereits Materialien. Wenn diese als OER freigegeben werden, können sie für den individuellen Einsatz verändert und angepasst werden. Praktiker/-innen können auf den vorhandenen OER aufbauen und müssen nicht von vorne beginnen. 
 
Steigerung der Reputation: In bestimmten Arbeitsbereichen, z. B. als Trainer/-in oder Autor/-in ist es überlebensnotwenig, als Experte/-in für ein bestimmtes Thema wahrgenommen zu werden. Die eigene Bekanntheit zu steigern, ist nicht einfach und kann sehr teuer werden. OER werden von einem zunehmend größeren Benutzerkreis verwendet. Die Veröffentlichung eigener OER verdeutlicht die eigene Expertise und steigert den Bekanntheitsgrad.
 
Teilen ist ein Geschäftsmodell und zudem im Trend: Share Economy basiert auf der gemeinsamen Nutzung von Ressourcen und ist in der Wirtschaft auf dem Vormarsch. OERs sind ein Tor in die Welt des Teilens. Dank der Digitalisierung und der Internetkommunikation ist Wissen bereits heute frei verfügbar und teilweise kostenlos nutzbar. Der Bedarf an Unterstützung beim effektiven Transfer des Wissens in das Arbeits- bzw. Privatleben wächst rasant und bietet Trainern/-innen oder Coaches neue Aufgabenfelder.
Wenn sich die Idee von OER gemeinsam mit einer guten Feedbackkultur ausbreitet, kann mittelfristig die Materialqualität erhöht werden. OER erlauben Fehlerkorrekturen, Verbesserungen sowie Erweiterungen und leiten damit einen Prozess der Optimierung des veröffentlichten Materials ein. 
 
Das Erstellen von OER wird vielfach auch schon didaktisch eingebunden: Im Sinne des projektorientierten Lernens können auch Lernende selbst Materialien produzieren, die anschließend weiterverwendet werden können.
 

Grenzen und Einschränkungen

Gleichzeitig sind im Bereich Weiterbildung der Idee von offen geteilten Materialien auch Grenzen gesetzt. Dabei geht es insbesondere um:
Vertraulichkeit: Gerade in der betrieblichen Weiterbildung sind Materialien häufig nicht nur sehr individuell, sondern beinhalten auch „Betriebsgeheimnisse“.
 
Verkauf: In vielen Bereichen ist die Erstellung von Materialien Teil des Arbeitsauftrags an konkurrierende Weiterbildner/-innen. Hier kann es kontraproduktiv sein, die eigenen Materialien an die Konkurrenz weiterzugeben.
 
Aufwand: OER erleichtern die Arbeit, wenn man auf die Arbeiten anderer zurückgreifen kann. Gleichzeitig ergibt sich für die eigene Auszeichnung mit Lizenzen ein Mehraufwand, der manchmal nicht zu unterschätzen ist. 
 
Qualität: In vielen Bereichen wird gerne auf die bewährten Materialien von Verlagen zurückgegriffen, weil damit ein gewisses Qualitätsversprechen verbunden wird. Für OER müssen sich entsprechend vertrauenswürdige Institutionen noch etablieren.
 

Definition von OER

Die UNESCO definiert in der Pariser Erklärung von 2012 OER wie folgt: 
„[OER sind] Lehr-, Lern- und Forschungsressourcen in Form jeden Mediums, digital oder anderweitig, die gemeinfrei sind oder unter einer offenen Lizenz veröffentlicht wurden, welche den kostenlosen Zugang sowie die kostenlose Nutzung, Bearbeitung und Weiterverbreitung durch Andere ohne oder mit geringfügigen Einschränkungen erlaubt.“ 
 
OER sind Materialien, die in den meisten Fällen unter eine CC-Lizenz zur Nutzung und zur Veränderung mit der Pflicht der Namensnennung des Originalautors freigegeben werden.
Mit „open“ ist sowohl „offen“ als auch „frei“ gemeint: die freie Verfügbarkeit der Materialien und die Möglichkeit zur Bearbeitung, also auch die technische Offenheit im Sinne der Dateiformate. Offenheit der Materialien ist dann gegeben, wenn für die Nutzenden auf Dauer und kostenfrei folgende fünf Freiheiten, die sogenannten 5V – fünf Freiheiten, gelten.
 

Screenshot Präsentation: 5V - fünf Freiheiten

 

Welches Material kann OER sein?

Die Teilnehmenden brachten eigenes Vorwissen in den Workshop ein. Bei der Frage, in welcher Form ihnen OER-Materialien bereits begegnet sind, antworteten sie über ihr Smartphone via menti.com: 

 

Ergebnis der Menti-Umfrage

 

Zusammengefasst kann folgendes Material unter offenen Lizenzen als OER veröffentlicht werden:
Arbeitsblätter  
Lehrbücher  
Übungsaufgaben  
Bilder 
Fotos 
Grafiken 
Piktogramme 
Audio, Podcasts 
Videos: Screencast, Realfilme, Erklärvideos  
ganze Lehrpläne  
Online-Kurse z. B. iMooX 
Online-Lernplattformen z. B. HOOU 
 
 

Die in Deutschland gängigsten Lizenzen: Creative Commons

In Deutschland werden freie Materialien in der Regel mit sogenannten Creative-Commons-, oder CC-Lizenzen versehen. Die einzelnen Lizenzen regeln genau, wie das betroffene Material verwendet werden darf.  

Es gibt insgesamt 7 verschiedene CC-Lizenzen, von denen aber nur drei als offene Lizenzen bezeichnet werden. Vier Lizenzen versehen die Verwendung der Materialien mit Auflagen, die eine Nutzung oder Veröffentlichungen erschweren und unter bestimmten Bedingungen auch gar nicht ermöglichen.
Es ist vergleichbar wie bei einer Tür: Eine Tür kann unterschiedlich weit offen sein, z. B. Sperrangelweit oder halb geöffnet. Ähnlich ist es bei den Lizenzen. Sie sind unterschiedlich offen. Es gibt Lizenzen mit wenigen Auflagen, die offener sind als die Lizenzen mit vielen Auflagen.
Hier die Folie mit beiden offenen Türen
 
 

Screeshot Präsentation: CC-Lizenzen

 

Die Auflage BY ist in jeder Lizenz enthalten und stellt somit sicher, dass durch jede Lizenz der/die Urheber/-in eines Werkes erhalten bleibt und gebührende Anerkennung findet: Also der Name des Urhebers/der Urheberin muss bei jeder Art der Verwendung genannt werden. Laut der zuvor beschriebenen UNESCO-Definition sind Bildungsmaterialien erst dann OER, wenn diese drei Lizenzen gelten: CC BY, CC BY SA, CC0. Erst dann sind sie richtig offen und frei.

Für Trainer/-innen bspw. ist die Nutzung fremder Materialien mit CC0 sehr komfortabel, da keine Bedingungen gestellt werden und es auch für kommerzielle Zwecke genutzt werden kann. Für selbst erstellte Materialien von Trainern/-innen allerdings ist es genau zu überlegen, ob CC0 sinnvoll ist, denn für sie ist die Reputation wichtig. Die CC BY ist daher wohl nützlicher, um den Namen bekannt zu machen.

Dann gibt es noch die Lizenzen, die wenig offen sind und mehr Bedingungen stellen. Materialien, die mit diesen Lizenzen versehen sind, zählen nicht im engeren Sinne, also den 5V-Freiheiten nach, zu OER, also zu offenen Bildungsmaterialien. 

Vor allem für Trainer/-innen und Unternehmen, die mit Bildung Geld verdienen, ist die CC BY NC spannend, denn sie ist gänzlich ungeeignet für die Verwendung. Denn: CC BY NC kann man nur nutzen, wenn es völlig ohne kommerzielle Interessen geschieht. Bspw. dürfen keine kleineren Honorare fließen oder es darf keine Werbung auf dem Blog platziert sein, wo ein CC BY NC Bild eingefügt wurde. Wenn z. B. eine Lehrerin, die auch freiberuflich als Trainerin und Coach arbeitet, einen kostenfreien Blog betreibt, der ihre Reputation und damit künftigen Einnahmen fördert, darf sie Material mit Einschränkung NC nicht verwenden. Auf dem Blog darf auch keine Werbung zu platziert sein. 

 

 

 

Wie und wo kann ich nach OER suchen?

Elke Miersch zeigt die wichtigsten Suchmaschinen, über
die man OER finden kann. Foto: KWB e.V.

 

 

 

 

 

 

 

Nach der Erläuterung der CC-Lizenzen demonstrierte Elke Miersch, wie verschiedene Suchmaschinen genutzt werden können. In der anschließenden Gruppenarbeit hatten die Teilnehmenden dann die Gelegenheit, Texte, Videos und Grafiken zu eigenen Themen zu recherchieren. Die Ergebnisse der Gruppenarbeit wurden in einem Padlet gespeichert.

 

Weiterverwendung von Materialien unter freien Lizenzen

Im zweiten Teil der Veranstaltung ging es um die korrekte Lizensierung eigener Materialien sowie bearbeiteter oder gemischter OERs. Hilfreich hierfür ist die TULLU-Regel, der Lizenzhinweisgenerator von Wikimedia und der License Chooser von Creative Commons. Zwei kurze Filme erläuterten außerdem die Einbindung von freien Materialien in eigene Produkte. 

 

Gruppenarbeit, Foto: KWB e.V.

 

Zum Ende der Veranstaltung wurde in Gruppen lebhaft über die Vor- und Nachteile sowie über mögliche Einsatzmöglichen von OER in der eigenen Arbeit diskutiert: 
Fast alle Gruppen sahen in der Ergänzung eigener Unterrichtsmaterialien z. B. durch Bilder und Videos die beste Einsatzmöglichkeit. Vor allem die Verwendung von Videos scheint für viele Teilnehmenden lohnend. Aber auch die Nutzung von Wissenssammlungen wie MOOCs für die eigene Weiterbildung wurde genannt.  
Die diskutierten Vor- und Nachteile von OER finden sich in nachfolgender Tabelle wieder: 
 

Vorteile von OER

Nachteile von OER/Bedenken

Schnell gutes Material zur Verfügung haben

Zeitaufwand

Keine rechtlichen Grauzonen mehr

Rechtliche Unsicherheit/Urheberrecht

Große Auswahl an Materialien

Aufwendige Suche nach Materialien

Auf vorhandenes Material aufbauen können (das Rad nicht neu erfinden)

Das Finden von Lizenzangaben

Selbst erstelltes Material als Werbung nutzen

Risiko der falschen Nutzung

Freude am Sharing

Korrektes Erstellen von Unterrichtsmaterial ist sehr aufwendig

Feedback in Netzwerken

Qualitätsprüfung  

Unterricht gemeinsam gestalten

Je nach Lizenz Individualität eingeschränkt

Kosten sparen

OER in der Weiterbildung noch zu unbekannt

Lernspirale in Gang setzen

PC-Kenntnisse der Dozenten/-innen und Teilnehmer/-innen reichen nicht aus 

Es können viele verschiedene Lerntypen angesprochen werden

 

  

Präsentation

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