Fachveranstaltung „Gestaltung von Lernprozessen im digitalen Wandel“


Netz3L-Team beleuchtet Veränderungen durch Digitalisierung

Am Dienstag, 7. Mai 2019, kamen in der KWB Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beschäftigung 52 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Unternehmen, Behörden, von Bildungsanbietern und Berufsschulen zusammen. Elke Miersch und Andrea Paschke hatten in Kooperation mit Hamburgs Dachorganisation Weiterbildung Hamburg e. V. zu der Fachveranstaltung eingeladen.

 


52 Teilnehmer und Teilnehmerinnen kamen
in die KWB. 
Foto: KWB e.V.

Auch in der beruflichen Weiterbildung bekommt das Thema Digitalisierung eine immer größere Bedeutung. Zum einen, weil auch Weiterbildungsanbieter Unternehmen sind, die ihre eigenen Arbeitsabläufe verstärkt digitalisieren, also umstellen von analoge auf digitale Prozesse. Zum anderen auch, weil die Angebote, die sie im Bereich der Weiterbildung entwickeln, immer mehr digitalisiert werden. Doch was bedeutet der digitale Wandel eigentlich für den Bereich Entwicklung und Gestaltung der Angebote? Da Angebote in der beruflichen Weiterbildung vor allem erst einmal Lernprozesse sind, beleuchtete das Netz3L-Team in der Fachveranstaltung das Thema aus dem Blickwinkel: Wie gestalte ich Lernprozesse im digitalen Wandel?

 

Zu Beginn der Veranstaltung wurden die Teilnehmenden, die aus unterschiedlichen Arbeitsbereichen wie bspw. Lehre, Produktentwicklung oder E-Learning-Infrastruktur kamen, zu einer Mentimeter-Umfrage eingeladen.

Nahezu alle Teilnehmenden beteiligten sich an der Umfrage, die mit Mentimeter durchgeführt wurde.

 


Formen des digitalen Lernens 

Abschlussplenum: Umfrage zu weiteren Themen


Formen des digitalen Lernens 


Übersichtsgrafik zu digitalen Lernformen, 
Quelle: Dr. Lutz Goertz, mmb Institut 2019,
eigene Darstellung

 

Elke Miersch startete ihren Input mit dem Paradigmenwechsel im digitalen Lernen und zeigte, dass bei den ersten Produkten, die digitales Lernen ermöglichten, den CBTs  (Computer-Based-Learnings) ein wichtiger Aspekt fehlte: die Kommunikation der Lernenden untereinander. Dies hatte vor allem Auswirkungen auf die Motivation der Lernenden und damit letztendlich auch auf den Lernerfolg. So setzten sich mit der Einbindung der Lernprogramme ins Internet in Form von WBTs (Web-Based-Tranings) oder Lernplattformen immer mehr Formate durch, die eine Interaktion und Kommunikation der Lernenden untereinander ermöglichten.

Didaktisch-methodisch setzte man auf die Verbindung von Präsenzlernen und E-Learning: die Blended-Learning-Arrangements. Die Vorteile aus beiden Welten wurden miteinander verbunden: selbstbestimmtes Lernen durch Individualisierung von Zeit, Raum, und Material sowie kommunikatives, kollaboratives Lernen in der Gruppe.

Insbesondere im betrieblichen und informellen Lernen ist das soziale Lernen (social learning) schon seit Jahren die am meisten verbreitete Lernform: soziale Netzwerke, MOOCs, YouTube, Foren und Blogs bieten den Raum dafür.

Ein großer Vorteil des sozialen Lernens im Netz ist nicht nur die kommunikative Komponente, sondern auch, dass dann gelernt werden kann, wenn es gerade notwendig ist: Learning on Demand. Wenn ein Kompetenz- oder Wissensbedarf im Raum steht, kann dieser zeitnah über soziales Lernen im Netz geklärt werden.

Größte Herausforderung beim Learning on Demand: Die Lernenden benötigen eine hohe Selbstlernkompetenz und Kompetenzen im Umgang mit den digitalen Medien. Hier kommt schnell die Frage auf, wie finde ich mich in der Vielzahl der Angebote zurecht, und wie bewerte ich z. B. die Qualität eines Videos oder eines Beitrags?

Die Frage ist also auch: Ist diese Form des Lernens prinzipiell für alle Menschen geeignet, welche Kompetenzen werden dafür benötigt und welche Rolle können Bildungsanbieter in diesem Zusammenhang übernehmen?

Die Aufstellung vom mmb-Institut versucht Formen des digitalen Lernens zu ordnen, indem nach den Kriterien formelles Lernen und informelles Lernen sowie individuelles Lernen und kollaboratives Lernen unterschieden wird. Formelles Lernen ist hier zu sehen als das Lernen in einem offiziellen Bildungskontext mit festen Lernvorgaben. Dies findet vor allem in Schulen, Universitäten oder auch bei Bildungsanbietern statt. Zunehmend fließen auch Elemente des informellen Lernens in diese Lernprozesse ein. 

Generell findet man informelles Lernen hingegen eher im betrieblichen und privaten Kontext. Hier orientiert sich das Lernen an individuellen aktuellen Fragestellungen. Lernen findet hier sowohl individuell als auch kollaborativ statt. Soziales Lernen/Learning on Demand wird im rechten Bereich, in sozialen Netzwerken, Foren, etc. abgebildet.

 

Das zweite, etwas umfangreichere Schaubild unterteilt zunächst in die Lernformen Präsenzlernen, Blended Learning und Digitales Lernen. Digitales Lernen ist unterteilt in Technologien, Formate und Inhalte. Die aufgeführten Lernformate können einzeln genutzt werden oder miteinander kombiniert einen umfangreicheren Lernprozess abbilden. So können beispielsweise in Webinaren, Lern-Videos und Tutorials eingebunden werden. Jedes Format ist ein eigenes System mit klaren Lernzielen. Die Inhalte und die Technologien unterstützen die Formate und damit den Lernprozess. So können z. B. Webinare über Social Media Kanäle begleitet werden oder einzelne Inhalte in PDF-Dateien aufbereitet werden. 

Kollaborative, formale Lernprozesse finden i.d.R. als Blended-Learning-Angebote statt. Hier werden drei Formen unterschieden, je nachdem an welcher Stelle des Lernprozesses der E-Learning Part stattfindet. Findet zu einer Präsenzschulung eine Online-Begleitung statt, spricht man auch vom Anreicherungskonzept. Die Online Begleitung kann z. B. in Form von tutoriellem Coaching, der Bereitstellung von Online Materialien oder begleitender Online-Arbeitsgruppen stattfinden. 

Wechseln sich Online und Präsenzphasen ab, spricht man vom Integrationskonzept

Wer mehr zu den Konzepten lesen möchte: das Berliner Programm "weiter gelernt" veröffentlicht u. a. Beiträge zur Weiterbildungsdiskussion


Grafik Bildungsformate und -medien
von Bildungsgraf 2019, CC BY SA Carbow,
eigene Darstellung

In dem Schaubild wird auch unterschieden, ob die Online-Phase als Vorbereitung oder als Nachbereitung der Präsenzphase stattfindet. Im ersten Fall dient sie dem selbstständigen Wissenserwerb. Die Präsenzphase kann dann zur Vertiefung des Wissens, zum Austausch und zur Vermittlung von Handlungskompetenzen genutzt werden. Dies ist z. B. beim Flipped Classroom der Fall. Findet die Online-Phase nach der Präsenzphase statt, wird das Wissen online vertieft, z. B. über zusätzliche Fragestellungen oder über ein Online-Coaching zur Reflexion der Anwendung des gelernten Wissens (Praxistransfer). In der Realität wechseln sich Online- und Präsenzphasen mit unterschiedlichen Zielsetzungen ab. Wichtig ist, dass beide Phasen didaktisch aufeinander Bezug nehmen.

 

Didaktik-Rad als Hilfestellung für Gestaltung von Lernprozessen

Andrea Paschke erläuterte die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Didaktik. Auch bei digitalen Lernprozessen müssen alle Aspekte der Didaktik berücksichtigt und aufeinander abgestimmt werden.


Infografik „Didaktikrad“ von Frank Waldschmidt-Dietz, 
CC BY 4.0, via http://waldschmidt-dietz.de 

 

Der Diplom-Pädagoge Frank Waldschmidt-Dietz hat Ende 2018 das Didaktik-Rad veröffentlicht, um auch didaktisch unerfahrenen Mitarbeiter/-innen Hilfestellung bei der Gestaltung digitaler und analoger Lernprozesse an die Hand zu geben. Das Rad bildet alle Aspekte ab, die wichtig sind für die Gestaltung von Lernprozessen – auch im Zuge der Digitalisierung. Es ist wie ein Kreisprozess aufgebaut und stellt die Frage:

„Wer soll was, wozu, von wem, wie, mit wem, womit, wo, wann und ohne Störungen lernen?“

 

Wo an welcher Stelle eröffnen sich neue Potenziale im Zuge der Digitalisierung?

 

Bei dem „wie“ zum Beispiel haben Anbieter die Möglichkeit zu entscheiden: machen wir ein Weiterbildungsangebot als Präsenzveranstaltung, als reines Online-Angebot oder machen wir ein Blended-Learning-Angebot daraus? Als reines Online-Angebot wäre es möglich, einen Webinar-Raum über Zoom oder GoToWebinar zu nutzen. Oder eine umfangreichere Plattform wie Brightspace, die das Projekt Netz3L bereits für den Online-Kurs „Curricula kompetenzorientiert gestalten“ nutzt. 

Im Webinar-Raum oder in der Lernplattform könnte das Wissens z. B. als Life-Session vermittelt oder als Videoaufnahme bereitgestellt werden. In Virtuellen Klassenzimmern oder mit Kollaborationstools wie Padlet oder Slack können sich die Teilnehmenden zusammenfinden, um sich über die Themen vertiefend auszutauschen.

Das „womit“ fragt, mit Hilfe welcher digitaler und analoger Medien, Werkzeuge und Materialien können Lernprozesse angereichert werden? Bei der heutigen Veranstaltung in der KWB wurde Mentimeter als digitale Variante der klassischen analogen Methode genutzt: Aufstehen, Aufzeigen. Präsentationen müssen heute nicht mehr mit Flipchart, Stellwand oder Overheadprojektor gehalten werden, sondern mit Computer, Beamer und Präsentationssoftware die PowerPoint, Prezi oder emaze. Selbst eine vermeintlich analoge Methode für den persönlichen Austausch in Großgruppen wie das World Café könnte digital angereichert werden, in dem die moderierende Person nicht mit Stiften auf Papier schreibt, sondern z. B. mit einem Tablet auf einem digitalen Whiteboard.

Wer gern noch mehr Tools kennen lernen oder ausprobieren möchte (alphabetische Reihenfolge, kein Anspruch auf Vollständigkeit):

 

Der Aspekt „wo“ wird heutzutage als Vorteil der Digitalisierung genannt: jeder kann ortsunabhängig lernen. Das trifft für reine Online-Angebote, die man zu Hause, in der Bahn oder auf der Arbeit nutzen kann, auch vollkommen zu. Wenn aber bei Blended-Learning-Angeboten oder Präsenzveranstaltungen lernende Personen in einem analogen Raum zusammenkommen, ist die Gestaltung des Raumes ein wichtiger didaktischer Aspekt im Lernprozess. 

 

Im Hochschulbereich gibt es Entwicklungen, in denen mit neuen Raumkonzepten bezüglich der Mobiliargestaltung gespielt wird, um den Lernprozess zu unterstützen.

Möbel und Geräte können so aufgebaut werden, dass nicht mehr frontal gelehrt wird wie in einem Hörsaal an einer Hochschule. Bei dieser Raumgestaltung wird Projektlernen ermöglicht, sowie Lernen in Gruppen oder Einzelarbeit. Medien (wie PC´s und digitale Werkzeuge) können eingebunden werden, Lerner und Lehrende können sich durch den Raum bewegen. So werden Lernprozesse begleitet, die nicht mehr geradlinig sind und Lernende und Lehrende bekommen eine aktivere Rolle.

 

Im Didaktik-Rad beinhaltet der Aspekt des „von wem“ die Schlagworte „Selbstgesteuertes Lernen“ und „Lernbegleiter“. Lernende haben durch die Digitalisierung mehr Möglichkeiten, selbstorganisiert, zeit- und ortsunabhängig im Austausch mit anderen über soziale Netzwerke zu Lernen. Sie müssen dabei nicht mehr auf klassische frontale Vermittlungsformen durch einen „Belehrenden“ zurückgreifen. Die Lehrenden können sich in einer neuen Rolle sehen: als Coach, als Mentor, als die Person, die das Lernen ermöglicht, und Räume und Strukturen schafft, Medien und Materialien bereitstellt, Formen der Zusammenarbeit etabliert und für Fragen zur Verfügung steht

Die Digitalisierung hat also durchaus das Potenzial, Lernprozesse anzureichern und zu unterstützen, aber auch nur, wenn alle Aspekte der Didaktik bei digitalen Lernprozessen berücksichtigt und aufeinander abgestimmt werden. 

 

World Café

Im zweiten Teil der Veranstaltung diskutierten die Teilnehmenden über vier vertiefende Aspekte.

  1. Welche Bedingungen müssen im Betrieb geschaffen werden, um den Mitarbeiter/-innen digitales Lernen zu ermöglichen?
  2. Gibt es Grenzen des digitalen Lernens?
  3. Welche Unterstützung benötigen Lehrende auf dem Weg zur digitalen Lehre?
  4. Welche eigenen Erfahrungen haben Sie mit digitalem Lernen gemacht?

World Café 1: Welche Bedingungen müssen im Betrieb geschaffen werden, um den Mitarbeitern/-innen digitales Lernen zu ermöglichen?


Funktionierende Technik und die Möglichkeit,
ungestörtarbeiten zu können, sowie die Freistellung
von betrieblichen Aufgaben für die Zeit des
Lernens - die Must Haves in Betrieben!
Foto: KWB e.V.

 

Die Teilnehmer/-innen brachten ihre umfangreiche Praxiserfahrung in die Diskussion an Tisch 1 des World Cafés ein. Die Bedingungen, die sie für wichtig erachteten, um digitales Lernen im Betrieb erfolgreich durchzuführen, lassen sich in sechs Bereiche gliedern:

  • Als wesentlichste Voraussetzung nannten die Gruppen eine lernförderliche Unternehmenskultur. Nur wenn die Unternehmensführung das Thema im Unternehmen positiv besetzt, das Thema Top-down verankert und kommuniziert, findet „Lernen“ Akzeptanz und die Angebote werden von den Mitarbeitern/-innen auch genutzt.

  • Stellwand World Café 1, Foto: KWB e.V.

  • Als erstes „Must have“ nannten die Teilnehmer/-innen des Rundganges eine funktionsfähige Organisation des Lernraumes. Dazu gehören eine funktionierende Technik und die Möglichkeit, ungestört zu arbeiten sowie eine Freistellung von betrieblichen Aufgaben für die Zeit des Lernens.
  • Auch der formale Rahmen wie die Einbindung des Betriebsrates und der Datenschutz müssten vom Unternehmen gewährleistet werden.
     

  • Der Betrieb muss einen formalen Rahmen
    gewährleisten: Betriebsrat und Datenschutz
    müssen berücksichtigt werden. Foto: KWB e.V.

     

    Aufgabe des Betriebes sei es auch, alle Mitarbeiter/-innen mit auf den Weg zum digitalen Lernen mitzunehmen und sie dabei zu unterstützen, Lernblockaden zu überwinden. Mit der entsprechenden Wertschätzung gelinge es dann, sie zu begeistern und zum selbstverantwortlichen Lernen hinzuführen.
  • Die Lernangebote sollten praxisnah gestaltet, auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten sowie leicht zugänglich sein. Insbesondere sei auf die Qualität, die didaktische Aufbereitung und die Aktualität der Inhalte zu achten. Ein gewisser Unterhaltungswert in der Aufbereitung steigere die Lernmotivation.
  • Die Lehrenden seien als Coaches unbedingt notwendig, um die Lernenden zu unterstützen. Sowohl technischer Support als auch Feedback im Lernprozess und ständige Erreichbarkeit wurden als Anforderungen genannt. Das Unternehmen könnte beispielsweise Train-the-Trainer-Programme auflegen, um Multiplikatoren/-innen zu qualifizieren, die dann ihre Kollegen/-innen beraten.
 

World Café 2: Gibt es Grenzen des digitalen Lernens?


Bildungsanbieter können nur im Rahmen ihrer
finanziellen Möglichkeiten entsprechende Technik
anschaffen und einsetzen - hier sind die Grenzen
deutlich spürbar. Foto: KWB e.V.

Über die Frage der Grenzen des digitalen Lernens wurde in den Gruppen sehr unterschiedlich diskutiert. 
Eine Grenze des digitalen Lernens ist das Budget, bzw. die Finanzen.
Für kleine Betriebe oder
auch für Bildungsanbieter ist es oft nicht möglich in die entsprechende Technik (bspw. Programme, Lizenzen) zu investieren. Rechtliche Rahmenbedingungen, wie z. B. bezüglich des Copyrights, oder auch der Frage nach der Verbindlichkeit und der Nachweisbarkeit vermittelter E-Learning Inhalte stellen eine Begrenzung dar.

Eine weitere Begrenzung sahen die Teilnehmer/-innen im Datenschutz. Hier erfordert eine Lernkontrolle, die bei Zertifizierungen oder Standards wie z. B. AZAV verbindlich vorgeschrieben ist, die Weitergabe und Speicherung persönlicher Daten. Dies ist nur mit Zustimmung der/des Einzelnen möglich. Hier wurde die Frage, ob man verlangen kann/sollte, dass Teilnehmer/-innen bspw. einer finanzierten Fortbildung oder Weiterbildung per se der Datenweitergabe zustimmen müssen sehr kontrovers diskutiert.


World Café Stellwand 2, Foto: KWB e.V.
 

Mangelhafte oder fehlende Voraussetzungen in der technischen Ausstattung, sowohl auf Seiten des Betriebes/Bildungsanbieters, als auch auf Seiten der Lernenden (kein Smartphone vorhanden) oder fehlende Internetanbindung begrenzen den Einsatz digitaler Lernmöglichkeiten. 
Wenn Lehrende nicht die Grenze sein wollen muss das entsprechende Vorwissen und die Bereitschaft, sich auf das digitale Lernen einzulassen, vorhanden sein. Die neue Rolle als Coach und Lernbegleitung muss angenommen werden und aufgrund der Vielfalt/Schnelllebigkeit digitaler Welten und Inhalte muss „Mut zur Lücke“ vorhanden sein. Es ergibt sich aus der Digitalisierung für Lehrende auch die Problematik der Problemlösungskompetenz, denn Lehrende können nicht alle Probleme (z. B. technischer Art) selbst lösen. Ob der Einsatz digitaler Medien mehr oder weniger Zeit der Lehrenden fordert wurde für und wider diskutiert. Ein Teil der Teilnehmer/-innen sahen in der Digitalisierung einen höheren Zeitaufwand und fanden die analoge Anpassung und Entwicklung von Lerninhalten zeitsparender, andere sahen gerade in der Digitalisierung die Möglichkeit, Zeit einzusparen.

Generell ist eine nicht vorhandene Bereitschaft, sich auf die Digitalisierung einzulassen, bei den Lernenden eine Grenze. Bei Bildungsanbietern oder der Zielgruppe junger Menschen fehlt bei den Lernenden oft das Basiswissen: Spiele seien kein Problem, aber Word eine „schier unüberwindliche Hürde“.


Nicht alle Inhalte oder Themen können digital
vermittelt werden: Haptik, Geruch und Gefühl
sind nur analog erfassbar. Foto: KWB e.V.

Nicht alle Inhalte oder Themen können mittels digitaler Methoden vermittelt werden. Beispielsweise sind in einigen Berufsfeldern (Handwerksberufe wie Tischler, Physiotherapie, Heilpraktik, Pflege) viele Lern- und Lehrinhalte mit digitalen Mitteln darstellbar und teilweise zu vermittelbar, der eigentliche Lerneffekt und die Aneignung der entsprechenden Fertigkeiten seitens der Lernenden müsse aber analog vermittelt werden. Was digitales Lernen nicht transportieren kann sind Sinneswahrnehmungen, wie z. B. Haptik, Geruch, Gefühl oder auch Leitbilder, Haltung und Werte (eines Betriebes). 

Grenzen gibt es auch bei der Vermittlung von Inhalten, die mit sozialen Kompetenzen verbunden sind wie z. B. Konfliktlösungskompetenz oder Rhetorik, hier würde das Gegenüber fehlen. Das gälte auch für Interaktion: Kann es nur „live“ geben, Rollenspiel (Jedenfalls so lange keine Virtual Reality eingebunden ist). 
Die Lernbeziehungen (zwischen Lehrenden und Lernenden) ist begrenzt oder nicht vorhanden (je nach Alter wird das unterschiedlich empfunden und bewertet) bei E-Learning Formaten.

Beim Spracherwerb ist das analoge Schreiben mit der Hand erforderlich: „sowohl Studis als auch Geflüchtete sind motivierter, haben gerne etwas in der Hand“, “auch junge Geflüchtete lieben ihr Vokabelheft“.

 

 

World Café 3: Welche Unterstützung benötigen Lehrende auf dem Weg zur digitalen Lehre?


„Lehrende müssen im Wandel
einen Vorteil für sich erkennen.“ 
Foto: KWB e.V.

 

Das Thema „Unterstützung der Lehrenden“ wurde aus unterschiedlichen Blickrichtungen diskutiert. Aus Sicht der Berufsschullehrer/-in wurde problematisiert, dass es vor allem an Raum und Zeit für die eigene Kompetenzentwicklung fehle. Einige sahen eine große Diskrepanz zwischen der technischen/digitalen Entwicklung und Ausstattung in den Unternehmen und den Berufsschulen. Es gab jedoch auch den Einwand, dass die vorhandene Technik in Berufsschulen häufig vom Lehrpersonal nicht genutzt werde.

In allen 4 Gruppen wurde die Notwendigkeit eines Supports für Lehrpersonal (in Berufsschulen, bei Bildungsanbietern und Unternehmen) in den Vordergrund gestellt. Es war fast einhellige Meinung, dass die Lehrenden die Umstellung ihrer Angebote nicht allein bewerkstelligen können


World Café 3 Stellwand, Foto: KWB e.V.

 

Mehrfach kam auch die Anmerkung, nicht wahllos Weiterbildung zu digitalisieren, sondern immer im Blick zu behalten, wo die Digitalisierung didaktisch Sinn macht.

Bei der Ausgestaltung des Supports für Lehrende gab es unterschiedliche Vorschläge und positive Erfahrungsberichte. Es wurde die Notwendigkeit gesehen, eine Supervision/mentale Begleitung anzubieten, da die Vorbehalte gegenüber digitalen Elementen in der Lehre bei einem Teil des Lehrpersonals noch sehr groß seien. Bei vielen sei die Angst, sich durch die Digitalisierung der Angebote selbst überflüssig zu machen noch da. Auch müsse eine Veränderung des Rollenbewusstseins stattfinden und die Lehrenden die vorhandene Expertise bei den Schülern/-innen oder Teilnehmenden nutzen. Viele Lehrende hätten zudem noch nicht die Vorteile der Digitalisierung für sich erkannt. 

Im Idealfall stehen Lehrenden E-Learning-Begleiter
zur Verfügung, die sie technisch und didaktisch
unterstützen. 
Foto: KWB e.V.

 

Lehrende benötigen zudem technischen, digitalen und didaktischen Support in der Digitalisierung. Bei einigen größeren Anbietern gibt es bereits zentrale Ansprechpartner/-innen („E-Learning-Begleiter/-innen“) für die Beratung und Unterstützung von Lehrenden und für die Erstellung von digitalem Lernmaterial. Diese zentrale Steuerung der Digitalisierungsprozesse wurde von fast allen Gruppen als sehr wichtig erachtet. Nur so könne auch ein einheitlicher Standard in den unterschiedlichen Bildungsangeboten eines Trägers erreicht werden. Es wurde zudem der Wunsch und die Notwendigkeit geäußert, das Lehrpersonal frühzeitig in die Digitalisierungsprozesse in den Einrichtungen einzubeziehen. 

Ein ergänzender Vorschlag war es, erfolgreiche Tools für die Unterrichtsgestaltung beispielhaft in einer Plattform oder in kurzen Schulungen für Lehrende aufzubereiten. Hier müsse aber auch auf die jeweiligen didaktischen Einsatzmöglichkeiten eingegangen werden. 

Die Schulung der Trainer/-innen soll in kleinen Schritten stattfinden. Bei Train-the-Trainer Schulungen oder auch Schulungen für Lehrer/-innen wurde das Problem geäußert, dass es zusätzliche Unterstützung bedarf, das Gelernte auch konkret im eigenen Unterricht umzusetzen.

Interessant war auch die Diskussion über die These „In 10 Jahren hat sich das Problem erledigt“. Hier waren die Meinungen sehr kontrovers. Ein Teil der Anwesenden war der Ansicht, dass das Wissen über die Digitalisierung von Lernprozessen in den nächsten Jahren so selbstverständlich und die Umstellung der Angebote so weit fortgeschritten sein wird, dass zusätzliche Unterstützung für Lehrende kaum noch notwendig sein wird. Andere hielten dagegen, dass es auch langfristig unerlässlich sein wird, institutionelle Unterstützung für Lehrkräfte zu diesem Thema anzubieten.

 

World Café 4: Welche eigenen Erfahrungen haben Sie mit digitalem Lernen gemacht?


Notwendig beim digitalen Lernen ist es, die eigene
Motivation und den Blick fürs Wesentliche für das
eigene Lernen nicht zu verlieren. 
Foto: KWB e.V.

Alle Teilnehmenden haben bereits eigene Erfahrungen mit „digitalem Lernen“ gemacht – also dem Lernen im digitalen Raum oder Lernen mit digitalen Medien, Werkzeugen und Materialien. Sei es für die Arbeit oder im privaten Bereich. Vorteile seien, dass die Materialien und Werkzeuge auf Abruf im Netz bereitstehen, wann immer eine Frage aufkommt. Sei es, dass die Spülmaschine nicht mehr richtig funktioniert oder ein Geldschein als Geschenk gefaltet werden soll. Verschiedene Websites beinhalten für jede Frage die passende Antwort – und das auch für das eigene Berufsleben. Während man früher in die Bibliothek oder in den Buchhandel gegangen ist, kann man heute auf eine Vielzahl frei zur Verfügung stehender Materialien zurückgreifen und diese für Lernprozesse nutzen. Die digitalen Möglichkeiten scheinen unendlich zu sein. Dabei können verschiedene Aspekte bei jedem Lerner mehr oder weniger ins Gewicht fallen: 


World Café Stellwand 4, Foto: KWB e.V.

Wie strukturiere ich meine eigenen Themen? Wie finde ich die für mich passenden Quellen oder wie wähle ich aus, ob die Quellen vertrauenswürdig sind? Welche Berührungsängste habe ich mit den digitalen Materialien? Oder mit den verschiedenen Lernformen? Welcher Lerntyp bin ich? Brauche ich den Austausch zu anderen Teilnehmenden direkt im analogen Gespräch? Kann ich komplett online genug Austausch bekommen? Kann ich überhaupt entsprechend nur digital kommu
nizieren? Möchte ich mich überhaupt austauschen? Nutze ich lieber Videos, Podcasts oder nur Texte? Ist ein angeleiteter Kurs etwas für mich? Oder doch ganz selbstgesteuert, weil ich mir selbst gern alle Materialien und Lernpartner selbst suche? Wieviel Begleitung durch einen Lernbegleiter brauche ich persönlich?


Nicht alle Teilnehmenden haben nur positive
Erfahrungen mit digitalem Lernen gemacht. 

Foto: KWB e.V.

Die Fragen nach der Motivation und der Zeit bzw. dem eigenen Zeitmanagement verdeutlichten, dass Lernen im digitalen Raum oder mit digitalen Medien eine hohe Selbstlernkompetenz und eine Affinität zur Technologie voraussetzen. Digitales Lernen ist jederzeit und überall möglich, sei es zu Hause, unterwegs im Zug oder auf der Arbeit. Es kostet viel Zeit und die Vielzahl an Möglichkeiten überfordern schnell: „Mein Bauchladen ist voll. Wann soll ich die ganzen Themen denn bearbeiten?!?“ Schnell kann das Gefühl entstehen, ständig noch etwas lernen zu müssen und nie etwas richtig abzuschließen. Ständig finden sich neue, interessante Themen, die man sich aneignen kann. Negative Erfahrungen mit digitalem Lernen liegen vor allem in den Bereichen der digitalen Infrastruktur, also wenn die Technik nicht oder nicht störungsfrei läuft. Oder wenn man Themen, Kurse, Materialien anderer Länder aus anderen Zeitzonen oder kulturellen Hintergründen findet. Auch das Gefühl, verloren zu sein in der Menge der Angebote, kann sich negativ auf die Motivation auswirken.

 

Abschlussplenum: Umfrage zu weiteren Themen

Abschließend konnten die Teilnehmenden Themen benennen, zu denen sie gern mehr Informationen hätten.

 

Abschließend hatten die Teilnehmenden die Gelegenheit, 3 Themenwünsche zu nennen, zu denen Sie gerne mehr Informationen hätten. Die am häufigsten genannten Themenwünsche sind Virtual und Augmented Reality sowie Gamification. Fast genauso viele Teilnehmer/-innen wünschen sich mehr Informationen zu Didaktik und Methodik mit konkreten Tipps. Ebenso ganz weit vorne rangieren Tools und Programme, gefolgt von Austausch mit Experten/-innen und Best Practice. Aus der Vielzahl der Themenwünsche erkennen wir, dass es nach wie vor einen hohen Informationsbedarf zum Thema Digitalisierung in der Weiterbildung gibt, vor allem der Wunsch nach positiven Beispielen, konkreten Tools und Anwendungen. 

Wir werden die häufig genannten Themenwünsche aufgreifen und in Folgeveranstaltungen und/oder Veröffentlichung aufnehmen. Wir halten Sie auf dem Laufenden!

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